10. Dezember 2020

Rede des Stadtverordneten Hendrik Seipel-Rotter von Bündnis 90/Die Grünen zu TO I TOP 4 „Demokratie bewahren und schützen“ in der Stadtverordnetenversammlung am 10. Dezember 2020

Frau Stadtverordnetenvorsteher*in, sehr geehrte Damen und Herren,

manche Leute glauben, wir befänden uns an einer Zeitenwende. Dunkle Mächte seien am Werk. Eine neue Weltordnung solle geschaffen werden. Initiiert von Vampir-Außerirdischen. Unterstützt durch Journalisten, Politiker*innen, Klimaforscher*innen und Mediziner*innen. Ein an sich harmloses Virus, das als Biowaffe in einem Labor in Georgien gezüchtet wurde, würde über 5G Antennen verbreitet. Im Rahmen einer Zwangsimpfung würden Mikrochips eingepflanzt werden um die Menschen weltweit kontrollieren und überwachen zu können. Und damit wir davon nichts mitbekommen würde das Trinkwasser mit Chemikalien versetzt um die Menschheit gefügig zu machen.

Menschen, die nicht an alternative Weltbilder dieser Art glauben, erscheinen diese so absurd, das man drüber lachen könnte und man könnte meinen, solange nur die Abstandsregeln eingehalten und zusätzlich zum Aluhut auch Masken getragen werden, spräche nichts dagegen, solche Verrücktheiten auch nach außen zu tragen.

Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut in einer freiheitlichen Demokratie und das ist auch gut und richtig so. Und die coronabedingten Einschränkungen müssen stets abgewogen werden mit den freiheitlichen Grundrechten. Wie Demonstration in Zeiten von Corona gelingt, zeigen beispielsweise die Alarmstufe Rot Demos oder auch die Demo für die Citybahn.

Mit Abstand. Mit Masken. In enger Zusammenarbeit mit den Behörden und der Polizei. Ohne Nazis.

Anders bei den Anti Corona Demos. Diese Leute ignorieren konsequent die Masken und Abstandsregeln. Ansagen der Polizei werden missachtet. Es gibt Gewalt gegen Einsatzkräfte und Medienvertreter*innen. Und diese Demos gehören zu den größten Rechtsextremen Aufmärschen seit Jahren. Es gibt keine Trennung mehr. Mittlerweile ist auch die Querdenken Bewegung selbst ein Fall für den Verfassungsschutz

Meine Damen und Herren,

wochenlang haben der Dritte Weg, die Identitäre Bewegung, die NPD, die AFD und weitere rechtsextreme Gruppierungen zu den Demos aufgerufen. Es muss mittlerweile allen Beteiligten klar sein, wer da aufmarschiert.

Wer diese Demos zulässt, nimmt in Kauf, dass Rechtsradikale, Neonazis, Reichsbürger, Holocaustleugner und Antisemiten den öffentlichen Raum und damit auch die Deutungshoheit für diese Demos besetzen. Und das nicht nur mit Flaggen, Hitlermundschutz und Nazi T-Shirts. Hier bekommen Nazis auch Redezeit für unsägliche Revisionierungen und Verharmlosungen nah am strafbaren und darüber hinaus. Für Aufrufe zum Systemsturz. Wenn nötig mit Gewalt.

In diesem Zuge macht es mich fassungslos, dass Gedenkveranstaltungen zur Progromnacht abgesagt oder per Video ausgestrahlt werden müssen, aber am gleichen Tag in Dresden eine Pegida Demo stattfand.

Meine Damen und Herren, ich denke ein Großteil dieses Hauses ist in der Sache nah beieinander, was mich freut.Und deshalb unterstützen wir den Antrag der SPD nachdrücklich und in allen Punkten. Denn wir hoffen, dass die Maßnahmen zur Eingrenzungen der Kontakte das Ziel erreichen, dass in den Krankenhäusern genug Kapazitäten frei bleiben, damit Menschen, die Intensivpflege bekommen müssen, diese auch erhalten können.

Und wir möchten allen Pleger*innen, Ärzt*innen und Therapeut*innen, allen Mitarbeiter*innen in den Ämtern und der Verwaltung, der Betreuung von alten und kranken Menschen, Mitarbeiter*innen der Feuerwehr, der ELW,  im Einzelhandel, Erzieher*innen und Lehrer*innen, und den vielen ehrenamtlichen Helfer*innen, die hier unterstützend tätig sind unseren Dank aussprechen.

Und lassen Sie uns gemeinsam noch einen Schritt weiter zusammen gehen. Um diese Menschen bei ihrer Arbeit zu unterstützen, braucht es die Eigenverantwortung aller Bürger*innen. Und mehr noch. Auch eine Demokratie braucht die Eigenverantwortung ihrer Bürger*innen. Demokrat*innen dürfen deshalb nicht zuschauen, wenn demokratiefeindliches, menschenverachtendes, rassistisches oder antisemitisches Gedankengut in einem kruden Verschwörungsmix einsickert. Das Ignorieren von allen Verordnungen und Auflagen darf nicht auch noch belohnt werden.

In Bremen und Wiesbaden wurden diese Woche zwei Demos verboten. Weil zu erwarten war, dass Regelverstöße begangen werden. Das ist ein guter Anfang.

Herr Oberbürgermeister,

wir möchten uns an dieser Stelle bei Ihnen und dem Magistrat für die bisherige klare Linie, entschlossen rechtsradikalen, antisemitischen und rassistischen Strömungen entgegenzutreten, bedanken. Und wir möchten Sie bitten, weiterhin so entschlossen zu handeln. Wir wollen keine Naziaufmärsche in Wiesbaden!

Vielen Dank!