15. Juli 2022

Rede der Stadtverordneten Konstanze Küpper zu „H2-Metropole Wiesbaden“ in der Stadtverordnetenversammlung am 14. Juli 2022

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

es herrscht Goldgräberstimmung. Wasserstoff gilt Dank einer üppigen Förderung vielen als DIE Lösung der vielfältigen Probleme der Energiewende. Leider zeichnet der Antrag mit seinem großem Wort von der „H2-Metropole Wiesbaden“ dann aber doch ein zu idealistisches Bild der Lage.

Ja, wir müssen angesichts der drohenden Energiekrise – Stichwort Krieg in der Ukraine – ganz schnell unabhängig werden von Gas und Öl. Aber mehr noch zwingt uns doch die Klimakatastrophe zu einem sorgsamen, sparsamen Umgang mit Energie und drängt uns zu einem sehr schnellen Umstieg auf Erneuerbaren Energien.

Zu den Aussichten für Wasserstoff in Wiesbaden haben wir im Januar einen sehr guten Antrag gemeinsam beschlossen, der Bedingungen für nachhaltige Projekte unter Beteiligung der Stadt bzw. ihrer Gesellschaften definiert hat.

Drei Aspekte greife ich mal raus, die dabei wichtig sind:

  1. H2 trägt nur als grüner Wasserstoff aus regenerativen Energiequellen zum Klimaschutz und zur Energiewende bei. Nur dann beträgt der CO2 Abdruck nur 30g pro kWh (bei grauem Wasserstoff liegt der Wert bei 400g!) Und hierin sehe ich die eigentlichen und vordringlichen Aufgaben, die unsere Stadt zu leisten hat: Sonnenkollektoren auf die Dächer, Windräder auf dem Taunuskamm, Nutzung von Abwärme z.B. aus Rechenzentren oder bei industriellen Anlagen; hocheffizientes Bauen, die Nutzung von Erdwärme und Wärmepumpen sowie die Elektrifizierung des Verkehrs. Und nur, und nur! Dann, wenn wir hier einen Überschuss an erneuerbarer Energie haben, können wir in Wiesbaden darüber nachdenken, ob wir damit z.B. auch Wasserstoff herstellen.
  2. Und das bringt mich zum 2. Punkt, der im Antrag explizit erwähnt wird: H2 aus Müll ist kein grüner Wasserstoff! Und H2 ist schon gar nicht einfach ein nebenbei anfallendes Abfallprodukt der Müllverbrennung – wie es in dem Antrag heißt.

Die Verbrennungsenergie aus Müll zählt nur zu einem kleinen Teil als erneuerbar, denn mindestens die Hälfte des Mülls wird aus Verpackungs- und Sortierresten aus fossilen Ausgangsstoffen bestehen. Der Ausstoß von Treibhausgasen ist hierbei enorm – die Folgen für unsere Klimabilanz fatal. Und wenn wir schon diese Energie nutzen, dann haben wir doch die größt mögliche Pflicht, diese Wärme und den Strom so effizient wie möglich zu nutzen. Anzunehmen, dass da irgendwelche Stromüberschüsse entstehen, ist absurd.
Und entscheidend ist 3…

  1. Die Herstellung von grünem Wasserstoff erfordert enorm viel Energie. Für 1 KWh Wasserstoff braucht man ungefähr 1,3 KWh Strom. Haben wir wirklich so viel Strom übrig, dass wir uns das leisten können? Und es ist es wirklich eine gute Idee, den wertvollen Wasserstoff in unser Erdgasnetz einzuspeisen?[1].

Aus diesen drei Punkten folgt:

Ja, Wasserstoff wird eine wichtige Rolle spielen für Bereiche wie z.B. die Chemische Industrie und auch den Flugverkehr, wo es noch keine effizienten elektrischen Alternativen gibt.

Aber Nein: Wir werden sicher keine H2-Metropole. Dennoch haben wir mit unserem Beschluss vom Januar gezeigt, dass wir weder einer unrealistischen Goldgräberstimmung aufsitzen, noch die Herausforderungen der Energiewende aus den Augen verlieren und unsere Ressourcen an Arbeit, Zeit und Geld zu einer Wasserstoffstrategie bündeln, wo sie sinnvoll ist und wirklich dem Klimaschutz dient.

Den Antrag selbst sehen wir durch unseren umfassenden Beschluss vom Januar als erfüllt bzw. jetzt als durch Aussprache erledigt an.

Herzlichen Dank!

 

[1] Siehe Wuppertal Institut zur Wärmewende https://wupperinst.org/p/wi/p/s/pd/1989 Heizen ohne Öl und Gas bis 2035