25. Mai 2022

Rede der Stadtverordneten Dorothée Rhiemeier zu „Geschlechtergerechte und wertschätzende Sprache in der Wiesbadener Stadtverwaltung“ in der Stadtverordnetenversammlung am 25. Mai 2022

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
sehr geehrte Kolleg*innen,

„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“, so formulierte es einst der Philosoph Ludwig Wittgenstein. Wie wahr! Einige Redebeiträge und insbesondere der Antrag der AfD-Fraktion zeigen doch, wie klein ihre Vorstellungswelt ist.

Das ist aber nicht die Realität! Wenn wir mit offenen Augen durch Wiesbaden gehen, begegnen wir den unterschiedlichsten Menschen. Und für sie alle wollen wir als Stadt da sein, denn Chancengerechtigkeit und Teilhabe muss für alle Menschen in Wiesbaden gelten.

Meine Fraktionskollegin Nele Siedenburg hat dargelegt, wie Sprache unsere Wahrnehmung prägt und auch Auswirkungen auf unser Denken und Handeln hat. Wen haben Sie bei einem Feuerwehrmann, bei einem Professor, bei einer Erzieherin vor Augen? Fällt Ihnen dazu auch eine nicht-binäre Person ein? Wissenschaftlich ist belegt, dass das generische Maskulinum, das sog. „Mitgemeintsein“, dazu führt, dass Frauen nicht wahrgenommen werden, dass Frauen sich nicht angesprochen fühlen, ja, dass Menschen eben nicht gleichermaßen gewürdigt werden. Doch, wenn wir Frauen „mitgemeint“ sind, warum kann man uns dann nicht auch gleich faktisch ansprechen?

Verehrtes Haus,

mit Sprache wachsen wir auf, sie prägt uns von Geburt an. Es ist daher verständlich, dass Menschen gern so sprechen wollen, „wie Ihnen der Schnabel gewachsen“ ist und dass sie meinen, so sei es auch richtig. Doch so wie sich unsere Gesellschaft verändert, so verändert sich eben auch unsere Sprache. Wie viele französische Wörter – Hotel, Café, Tanz, Zigarette, wie viele griechische – Pathos, Pädagogik, wie viele Begriffe aus dem Englischen – wie Smartphones, Laptop, haben selbstverständlich Eingang in unseren Sprachgebrauch gefunden. Oder wollen Sie, dass im Rathaus von tragbaren, zusammenklappbaren, internetfähigen Rechnern gesprochen werden muss?

Dass Sprache sich fortlaufend verändert, ist empirisch nachgewiesen. Doch nur selten wird dies so kontrovers diskutiert wie bei dem Thema geschlechtergerechte Sprache.

Liebe Kolleg*innen,

hier drängt sich der Eindruck auf, als ob das Gendersternchen geradezu eine Art „Fixsternchen“ geworden zu sein scheint, um das sich all diejenigen gern versammeln, die nicht wollen, dass sich unsere Gesellschaft verändert. Könnte es sein, dass so manche der heftigen Abwehrreaktionen als Zeichen einer tief sitzenden Angst zu interpretieren sind? Der Angst, dass lange innegehabte Privilegien einer bestimmten Gruppe infrage gestellt werden? Da muss ich Ihnen leider sagen, ja, das stimmt. Und das ist auch gut so. Wir leben eben nicht mehr in einer weißen, männlich dominierten Gesellschaft. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Frauen – Dank des Einsatzes von Elisabeth Selbert (für die Aufnahme des Gleichberechtigungsartikels in das GG) und Dank der Frauenbewegung – mitsprechen und mitentscheiden können. Das „Mitgemeintsein“ der Frauen und nicht binärer Menschen hat ausgedient.

Zu unserem Antrag:
Auch das BVerfG hat bestätigt, dass es mehr als nur zwei Geschlechter gibt und sie alle anzusprechen sind.  Eine moderne Verwaltung, die demokratische Grundsätze beachtet, ist spätestens seit diesem Urteil aufgefordert, der geschlechtlichen Vielfalt in ihrem Handeln auch sprachlich Ausdruck zu verschaffen.

Mit einem sensiblen Sprachgebrauch und einer verständlichen Sprache tragen wir dazu bei, dass sich alle angesprochen fühlen.

Stimmen Sie für Respekt und Akzeptanz, stimmen Sie für mehr Gleichberechtigung, stimmen Sie für unseren Antrag.